Ein Kind fragt nach dem Sinn des Krieges

Das Lied „Wozu sind Kriege da?“ von Udo Lindenberg aus dem Jahr 2021 beginnt mit einer zentralen Frage, die den gesamten Song durchzieht: „Keiner will sterben, das ist doch klar, wozu sind denn dann Kriege da?“ Diese Frage stellt ein zehnjähriges Kind an den Präsidenten, was in der ersten Zeile sofort die Thematik des Songs einführt. Der kindliche Erzähler möchte von einem der mächtigsten Männer der Welt wissen, warum Kriege überhaupt geführt werden. Er wundert sich, warum Menschen ihre Liebsten verlieren müssen, und stellt klar, dass weder Mütter noch Frauen ihre Kinder und Männer in den Krieg schicken wollen: „Keine Mutter will ihre Kinder verlieren und keine Frau ihren Mann.“

In der zweiten Strophe drückt das Kind seine Angst vor Nuklearwaffen und Atomkriegen aus: „Herr Präsident, ich bin jetzt zehn Jahre alt und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald.“ Hier wird die angespannte politische Lage und die Existenzbedrohung durch Atomwaffen verdeutlicht. Das Kind fordert eine ehrliche Antwort vom Präsidenten: „Sag mir die Wahrheit, sag mir das jetzt, wofür wird mein Leben auf’s Spiel gesetzt?“ Das Kind begreift nicht, warum Menschen sich gegenseitig töten, obwohl sie Freunde sein könnten: „Sie stehn sich gegenüber und könnten Freunde sein. Doch bevor sie sich kennenlernen, schießen sie sich tot.“

Rhetorische Strategien und emotionale Fragen

Lindenberg nutzt verschiedene rhetorische Mittel, um die Botschaft seines Songs zu verstärken. Die kindliche Perspektive bildet einen starken Kontrast zu der Ernsthaftigkeit des Themas. Diese Naivität und Unschuld rückt den Wahnsinn des Krieges noch mehr ins Licht. Der Einsatz von rhetorischen Fragen durchzieht den gesamten Text und lässt den Zuhörer innehalten und über die absurdität von Kriegen nachdenken. Fragen wie „Kannst du mir das mal erklären?“ und „Wozu sind Kriege da?“ fordern immer wieder die Reflexion des Publikums heraus.

Ein weiteres rhetorisches Mittel ist die Wiederholung. Der Satz „Wozu sind Kriege da?“ wird mehrmals im Lied wiederholt, was zur Eindringlichkeit der Botschaft beiträgt. Metaphorische Sprache wie „Atomraketenwald“ lässt eine beklemmende, dystopische Atmosphäre entstehen und betont die Angst des Kindes vor der atomaren Bedrohung.

Emotionen und kulturelle Relevanz

Der Liedtext löst starke Emotionen aus, indem er die Verzweiflung und den existenziellen Schrecken eines Kindes in den Vordergrund stellt. Dies schafft nicht nur Empathie, sondern auch einen tiefen Konflikt im Zuhörer, der sich gezwungen sieht, Stellung zu den wörtlich hilflos und verzweifelt gestellten Fragen zu beziehen. „Ich find‘ das so bekloppt, warum muss das so sein?“ – diese emotionale Äußerung führt den Hörer unmittelbar in die Gefühlswelt des Kindes.

Der Text berührt auch kulturelle und soziale Themen, wie etwa die Habgier und den religiösen Zwist als mögliche treibende Kräfte hinter Kriegen: „Oder geht’s da auch um Geld? […] Oder geht’s da nebenbei auch um so religiösen Zwist, dass man sich nicht einig wird, welcher Gott nun der wahre ist?“ Hier stellt das Kind provokative Fragen über die tieferen, oft versteckten Gründe für Kriege und zieht die Moral der Verantwortlichen in Zweifel.

Struktur und sprachliche Entscheidungen

Das Lied ist in vier Strophen aufgebaut, die jeweils intensiver und anspruchsvoller werden, was die zunehmende Dringlichkeit und Verzweiflung des Kindes widerspiegelt. Die direkte Ansprache des Präsidenten verleiht dem Lied eine sehr persönliche und dringliche Note. Durch die Struktur, in der jede Strophe eine neue Facette der Kriegsthematik beleuchtet, wird ein komplexes, aber kohärentes Bild der Absurdität und Grausamkeit von Kriegen gezeichnet.

Die einfache, aber treffende Sprache unterstreicht den kindlichen Erzähler und macht das Lied zugänglich und bewegend. Durch den bewussten Einsatz von Wiederholungen und rhetorischen Fragen wird die Dringlichkeit der Botschaft verstärkt und ein bleibender Eindruck beim Zuhörer hinterlassen.

Nachdenklichkeit und Reflexion

Die Interpretation des Textes ruft verschiedene mögliche Lesarten und Deutungen hervor. Zum einen kann er als Appell an die politische Führung verstanden werden, Verantwortung zu übernehmen und Frieden zu fördern. Zum anderen als generelle Kritik an der Kriegsführung und den oft verdeckten ökonomischen und religiösen Motiven dahinter.

Persönlich berührt mich das Lied tief, da es die Hilflosigkeit und die Unschuld des kindlichen Erzählers in den Vordergrund stellt. Es zwingt uns, über die Absurdität von Kriegen und die Verantwortlichkeit der Erwachsenenwelt nachzudenken. In einer Zeit, in der politische Spannungen wieder zunehmen, erinnert der Song daran, dass die wahren Opfer oft diejenigen sind, die am wenigsten dafür können – die Kinder dieser Welt.

Keiner will sterben, das ist doch klar

Wozu sind denn dann Kriege da?

Herr Präsident, du bist doch einer von diesen Herren

Du musst das doch wissen

Kannst du mir das mal erklären?

Keine Mutter will ihre Kinder verlieren

Und keine Frau ihren Mann

Also warum müssen Soldaten losmarschieren

Um Menschen zu ermorden, mach mir das mal klar

Wozu sind Kriege da?

Herr Präsident, ich bin jetzt zehn Jahre alt

Und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald

Sag mir die Wahrheit, sag mir das jetzt

Wofür wird mein Leben auf’s Spiel gesetzt?

Und das Leben all der andern, sag mir mal warum

Sie laden die Gewehre und bringen sich gegenseitig um

Sie stehn sich gegenüber und könnten Freunde sein

Doch bevor sie sich kennenlernen, schießen sie sich tot

Ich find‘ das so bekloppt, warum muss das so sein?

Habt ihr alle Milliarden Menschen überall auf der Welt

Gefragt, ob sie das so wollen

Oder geht’s da auch um Geld?

Viel Geld für die wenigen Bonzen

Die Panzer und Raketen bauen

Und dann Gold und Brillanten kaufen

Für ihre eleganten Frauen

Oder geht’s da nebenbei auch um so religiösen Zwist

Dass man sich nicht einig wird

Welcher Gott nun der wahre ist?

Oder was gibt’s da noch für Gründe

Die ich genauso bescheuert find‘

Na ja, vielleicht kann ich’s noch nicht verstehen

Wozu Kriege nötig sind

Ich bin wohl noch zu klein

Ich bin ja noch ein Kind

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