Analyse des Liedtexts „Er wollte nach London“ von Udo Lindenberg

Allgemeine Einführung

Das Lied „Er wollte nach London“ von Udo Lindenberg, veröffentlicht im Jahr 2021, zeichnet die Reise eines jungen Mannes von seinen frühen Jahren bis ins frühe Erwachsenenalter nach. Der erzählte Weg ist voller Herausforderungen, Selbstfindung und unterschiedlicher Lebenserfahrungen. Das Lied bietet eine faszinierende Mischung aus realistischen und romantischen Elementen, die durch Lindenbergs charakteristische, leicht melancholische Art des Geschichtenerzählens zum Leben erweckt werden.

Einleitung und erste Fluchtversuche

  • „Mit dreizehn ist er zum ersten Mal / Von zu Hause weggerannt / Er wollte nach London und später nach Paris / Das waren komische Gefühle“

Der Einstieg in den Liedtext skizziert den ersten Fluchtversuch des Protagonisten im Alter von dreizehn Jahren. Seine Ziele, London und Paris, symbolisieren Freiheit und Abenteuer, die im Kontrast zu seinem bisherigen Leben stehen. „Komische Gefühle“ deutet auf die Unsicherheit und das Unbekannte, mit denen er konfrontiert ist.

  • „Als er nachts an der Straße stand / Den Schlafsack unterm Arm / Und dreißig Mark in der Hand / Er rauchte viele Zigaretten“

Diese Zeilen illustrieren die konkrete Situation des Jungen: Er steht nachts alleine, mit minimalen Mitteln ausgestattet. Die Zigaretten symbolisieren die frühe Konfrontation mit erwachsenen Verhaltensmustern.

  • „Und dann wurd‘ es wieder heller / Und morgens um sieben hatten sie ihn / Sein Alter war leider schneller“

Diese Passage beschreibt das Scheitern des ersten Fluchtversuchs. Bei Tagesanbruch wird er von seinen Eltern oder der Polizei gefunden, was eine Rückkehr in das alte Leben impliziert.

Zweiter Fluchtversuch

  • „Als er so um fünfzehn war / Hat er’s noch mal versucht / Und dieses Mal hat’s hingehauen / Da haben sie sehr geflucht“

Mit fünfzehn Jahren versucht es der Junge erneut, diesmal erfolgreich. Das negative Reagieren der Eltern („sehr geflucht“) zeigt ihre Besorgnis und Frustration.

  • „Als er drei Tage später den Eindruck hatte / Dass er weit genug weg war / Hat er zu Hause angerufen / Und gesagt, es wär‘ alles klar“

Der Anruf zu Hause verdeutlicht einen Versuch der Beruhigung und Rechtfertigung gegenüber seinen Eltern. Der Junge gibt vor, alles sei in Ordnung, obwohl dies nicht der Fall ist.

  • „Eigentlich war gar nichts klar / Und das Geld war auch schon alle / Und nun stand er da / In irgendeiner kalten Bahnhofshalle“

In Wirklichkeit ist nichts in Ordnung. Das Geld ist aufgebraucht und der Protagonist ist mit der harten Realität seiner Entscheidung konfrontiert, dargestellt durch die „kalte Bahnhofshalle“.

Erste Erfahrungen in der Fremde

  • „Er war in London, er war in Paris / Er war in vielen großen Städten / Er schlief auf harten Parkbänken / Und auf weichen Wasserbetten“

Diese Zeilen zeigen, dass der Protagonist tatsächlich seine Ziele erreicht hat. Die Gegensätze zwischen „harten Parkbänken“ und „weichen Wasserbetten“ verdeutlichen die extremen Kontraste in seinem Leben, von Obdachlosigkeit bis zum Komfort.

  • „Er spürte, dass er irgendwie auf der Suche war / Doch was er eigentlich wollte / Das war ihm damals noch nicht klar“

Obwohl er viele Orte besucht hat, bleibt seine Suche nach dem wahren Sinn oder Lebensziel unklar, was die tiefere Unsicherheit und das Fehlen von Orientierung des jungen Mannes offenbart.

Reifung und Selbstfindung

  • „Inzwischen ist er neunzehn / Und er weiß immer noch nicht so genau / Was er denn nun davon halten soll / Von dieser ganzen Schau“

Mit neunzehn reflektiert der Protagonist weiterhin über seine Lebenserfahrungen und bleibt unsicher über den tieferen Sinn und die Bedeutung dieser Erfahrungen.

  • „Viele Sachen sieht er anders / Und er glaubt auch nicht mehr so daran / Dass es nur an der Umgebung liegt / Vielleicht kommt es doch mehr auf einen selber an“

Die Sichtweisen des Protagonisten ändern sich. Er erkennt, dass Lebensumstände nicht nur durch äußere Umgebung bestimmt werden, sondern dass die eigene Einstellung und innere Welt ebenfalls eine große Rolle spielen.

Selbstentfaltung und neue Interessen

  • „Und nun liest er ein Buch von Hermann Hesse / Und nun macht er Meditation / Doch er findet Jerry Cotton auch sehr stark / Und er lernt jetzt auch noch Saxophon“

Diese letzten Zeilen zeigen, dass der Protagonist neue Wege zur Selbstentfaltung sucht. Die Lektüre von Hermann Hesse und die Praxis der Meditation symbolisieren seine Suche nach innerer Ruhe und Weisheit, während die Erwähnung von Jerry Cotton und das Erlernen des Saxophons seine anhaltende Suche nach Identität und Ausdrucksmitteln verdeutlichen.

Interpretation und Entwicklungen der Geschichte

Im gesamten Verlauf des Liedes zeigt sich eine typische Entwicklungsgeschichte eines Heranwachsenden, der versucht, sich selbst zu finden. Die frühen Jahre sind geprägt von impulsiven Fluchtversuchen und romantisierten Vorstellungen von Freiheit in großen Städten. Mit zunehmendem Alter und Erfahrungen entwickelt der Protagonist eine tiefere Einsicht in sich selbst und die Faktoren, die sein Leben wirklich beeinflussen.

Lindenbergs Erzählweise bleibt derweil realistisch und unaufgeregt, doch die Botschaft des Liedes trägt gleichzeitig sowohl eine melancholische als auch eine hoffnungsvolle Note. Die Geschichte baut darauf hin, dass der Protagonist durch verschiedenste Erlebnisse und Herausforderungen hindurch zu einem tieferen Selbstverständnis gelangt.

Schriftstil und Ton

Der Schriftstil des Liedes ist überwiegend erzählerisch und poetisch. Lindenberg nutzt eine einfache, leicht zugängliche Sprache, die dennoch tiefgründige Themen berührt. Durchgehend bleibt der Ton des Liedes reflektierend und nachdenklich, mit einem Hauch von Melancholie, was gut zur Musik und der Gesamtstimmung passt.

Zusammenfassend bietet der Text von „Er wollte nach London“ eine vielschichtige und authentische Darstellung des Prozesses der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens. Er zeigt die Fortschritte und Rückschläge auf diesem Weg und lädt den Hörer dazu ein, sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten des eigenen Lebens auseinanderzusetzen.

Mit dreizehn ist er zum ersten Mal

Von zu Hause weggerannt

Er wollte nach London und später nach Paris

Das waren komische Gefühle

Als er nachts an der Straße stand

Den Schlafsack unterm Arm

Und dreißig Mark in der Hand

Er rauchte viele Zigaretten

Und dann wurd‘ es wieder heller

Und morgens um sieben hatten sie ihn

Sein Alter war leider schneller

Als er so um fünfzehn war

Hat er’s noch mal versucht

Und dieses Mal hat’s hingehauen

Da haben sie sehr geflucht

Als er drei Tage später den Eindruck hatte

Dass er weit genug weg war

Hat er zu Hause angerufen

Und gesagt, es wär‘ alles klar

Eigentlich war gar nichts klar

Und das Geld war auch schon alle

Und nun stand er da

In irgendeiner kalten Bahnhofshalle

Er war in London, er war in Paris

Er war in vielen großen Städten

Er schlief auf harten Parkbänken

Und auf weichen Wasserbetten

Er spürte, dass er irgendwie auf der Suche war

Doch was er eigentlich wollte

Das war ihm damals noch nicht klar

Inzwischen ist er neunzehn

Und er weiß immer noch nicht so genau

Was er denn nun davon halten soll

Von dieser ganzen Schau

Viele Sachen sieht er anders

Und er glaubt auch nicht mehr so daran

Dass es nur an der Umgebung liegt

Vielleicht kommt es doch mehr auf einen selber an

Und nun liest er ein Buch von Hermann Hesse

Und nun macht er Meditation

Doch er findet Jerry Cotton auch sehr stark

Und er lernt jetzt auch noch Saxophon

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