Eine bedrückende Selbstreflexion

Im Song „Atmen“ von Sido, der im Jahr 2022 veröffentlicht wurde, schildert der Künstler in roher und unverblümter Sprache seine Lebenssituation und innere Zerrissenheit. Der Text beginnt mit den Worten „Ich bin einundvierzig Jahre und die Tage waren wie Atmen unter Wasser“, durchgehend das Gefühl der Bedrohung und die Schwierigkeit des Überlebens metaphorisch darstellend. Das Leben wird mit dem Ertrinken verglichen, was in der nächsten Zeile „Darum sitz‘ ich an der Bar, volles Glas, volle Nase, völlig kafa“ die Flucht in Alkohol und möglicherweise Drogen widerspiegelt. Sido setzt sich selbst an eine Bar, um von seiner inneren Leere und den unerträglichen Realitäten abgelenkt zu werden.

In der zweiten Strophe beschreibt er die schwere Last des Alltags und die Entscheidungen, die er täglich treffen muss. „Lass mich ma‘ atmen, ich krieg‘ keine Luft“ eröffnet diese Passage und vermittelt ein tiefes Gefühl der Beklemmung und Unruhe. Der Elefant, der auf seiner Brust sitzt, symbolisiert die erdrückenden Erwartungen und der tägliche Kampf zwischen „Leistungsdruck und Leistenbruch“, welche die emotionale und physische Belastung symbolisieren. Sido reflektiert über seine Handlungen und motiviert sich durch den Eigennutz, wobei er zugibt, dass viele seiner Handlungen aus Eifersucht resultieren. Hier verwendet der Künstler starke Metaphern und Bilder, um seine inneren Dämonen und seine Versuche, sich durch materielle Dinge zu schützen, zu illustrieren: „Die Sonnenbrille trag‘ ich nur zu meinem Schutz“.

Im Refrain wiederholt Sido die negative Bilanz seines Lebens und den Wunsch nach einer intensiveren, fühlbaren Erfahrung, selbst wenn sie zerstörend wäre: „Ich glaube nicht, dass das normal ist, ich spür‘ gar nichts / Überfahr‘ mich mit ’nem Laster / Bitte mach ma’“. Dies manifestiert den Wunsch nach einem Ausbruch aus der Gefühlskälte.

Symbolik und emotionale Entfremdung

Sidos lyrische Darstellung ist durchzogen von Symbolik und Metaphern, die das tiefe Gefühl der Isolation und den Kampf gegen innere Leere betonen. Die Metapher des „Atmens unter Wasser“ suggeriert einen fortwährenden Kampf ums Überleben, verbunden mit Gefühlen der Ohnmacht. Diese Art der Verbildlichung zieht sich durch den gesamten Text und verleiht seinen sprachlichen Ausdrücken eine außergewöhnliche Tiefe und Drastik. Ein besonders eindrucksvolles Bild ist auch der „Elefant auf der Brust“, welcher die überwältigende Last des alltäglichen Druckes symbolisiert.

Struktur und sprachliche Mittel

Der Text besteht aus mehreren Strophen und einem wiederkehrenden Refrain, welcher durch sein repetitives Element die Monotonie und Hoffnungslosigkeit im Leben des Künstlers unterstreicht. Die strukturierte Wiederholung unterstützt das Gefühl der festgefahrenen Lebenssituation. Die Verwendung einer Umgangssprache („kafa“, „Motherfucker“) verstärkt das authentische und rohe Gefühl des Textes, daher ist der lyrische Stil des Songs oftmals lakonisch und direkt.

Ein weiterer Aspekt ist die Art und Weise, wie der Künstler seine emotionale Leere thematisiert. „Ich schau‘ in keinen Spiegel mehr, ich riech‘ nur dran“ zeigt seine Verweigerung der Selbstkonfrontation und steht symbolisch für die Entfremdung von seinem eigenen Selbstbild. Diese Zeile verdeutlicht zudem die Ironie und Sinnlosigkeit, die Sido in seinem Leben wahrnimmt.

Emotionale und thematische Tiefe

Der Song „Atmen“ spricht von tiefen emotionalen Zuständen wie Depression, Verzweiflung und Selbstentfremdung. Sido beschreibt den Schmerz und die Frustration über ein Leben, das sich unerfüllt und sinnentleert anfühlt. Die Worte „Die wunderschönen Worte waren nur heiße Luft / Nichts hielt uns zusammen wie ein Reißverschluss“ reflektieren die Vergänglichkeit und Unsicherheit menschlicher Beziehungen, wodurch eine tiefe emotionale Verletzlichkeit enthüllt wird. Der Verweis auf „heiße Luft“ deutet zudem auf leere Versprechen und gebrochene Bindungen hin, was ein weiteres zentrales Thema des Textes darstellt.

Die kulturellen Bezüge und sozialen Themen sind in Sidos Erwähnungen von Materialismus und dem Druck, gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen, offensichtlich. Die Passage „Den Designerschmuck trag‘ ich nur zu meinem Schutz“ illustriert die Oberflächlichkeit und die Flucht in materielle Güter als Schutzmechanismus vor der äußeren Welt.

Vielschichtige Interpretationen

Die Aussagen und Bilder im Song bieten mehrere Schichten der Interpretation. Der „Reisebus zur Hölle“ etwa könnte sowohl eine bewusste Entscheidung sein, die Konsequenzen einer destruktiven Lebensweise zu akzeptieren, als auch eine unbewusste Steuerung in eine düstere Richtung. Der Text bietet Raum für die Deutung, dass der Künstler hauptsächlich über seine einzigartige persönliche Krise spricht, aber auch gesellschaftskritische Aspekte miteinfließen lässt – sei es durch die Erwähnung von Leistungsdruck oder durch die Isolation und den Schutz in materiellen Erscheinungen.

Ein interpretativer Ansatz könnte darin bestehen, den Song als kritische Auseinandersetzung mit den Erwartungen und der Vereinzelung in der modernen Gesellschaft zu lesen. Gleichzeitig reflektiert Sido sehr persönlich und authentisch auf seine eigenen Erfahrungen und Gefühle, was den emotionalen Kern des Liedes ausmacht.

Persönliche Gedanken

Die persönliche Reflexion auf einen Text wie „Atmen“ fällt zutiefst bewegend aus. Der Song spricht existenzielle Erfahrungen und Gefühle an, die viele Menschen, sei es in Momenten der Schwäche oder des Zweifels, nachfühlen können. Der Vergleich mit „Atmen unter Wasser“ evoziert Bilder von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die ein starkes Mitgefühl und Verständnis wecken. Indem Sido seine inneren Dämonen offenbart, lädt er den Hörer dazu ein, sich selbst zu hinterfragen und möglicherweise eigene innere Konflikte zu erkennen. Es ist ein Lied, das sowohl durch seine tiefsitzende Ehrlichkeit als auch durch die kraftvolle lyrische Sprache nachhaltig beeindruckt und zur persönlichen Reflexion anregt.

Gesamt betrachtet, verstärkt die lyrische Struktur zusammen mit Sidos offener Sprache und den eindrucksvollen Metaphern die emotionale Schwere und bietet gleichzeitig einen tiefen Einblick in die Psyche des Künstlers.

Ich bin einundvierzig Jahre und die Tage waren wie Atmen unter Wasser (Wasser)

Darum sitz‘ ich an der Bar, volles Glas, volle Nase, völlig kafa (völlig kafa)

Einundvierzig Jahre bin ich da und die Tage waren wie Atmen unter Wasser (Wasser)

Ich glaube nicht, dass das normal ist, ich spür‘ gar nichts

Überfahr‘ mich mit ’nem Laster (Laster)

Bitte mach ma‘

Lass mich ma‘ atmen, ich krieg‘ keine Luft

Ich glaub‘, da sitzt ein Elefant auf meiner Brust

Weil ich mich jeden Tag entscheiden muss

Zwischen Leistungsdruck und Leistenbruch, nur dass das keinen juckt

Ich stell‘ mir nur die Frage nach dem Eigennutz

Die meiste Scheiße mach‘ ich wegen Eifersucht

Die Sonnenbrille trag‘ ich nur zu meinem Schutz

Den Designerschmuck trag‘ ich nur zu meinem Schutz

Ihre wunderschönen Worte waren nur heiße Luft

Nichts hielt uns zusammen wie ein Reißverschluss

Ich tanze meinen Namen, aber keiner guckt

Auf dem Weg zur Hölle mit’m Reisebus

Ich bin einundvierzig Jahre und die Tage waren wie Atmen unter Wasser

(Unter Wasser)

Darum sitz‘ ich an der Bar, volles Glas, volle Nase, völlig kafa

(Ich bin kafa)

Einundvierzig Jahre bin ich da und die Tage waren wie Atmen unter Wasser

(Unter Wasser)

Ich glaube nicht, dass das normal ist, ich spür‘ gar nichts

Überfahr‘ mich mit ’nem Laster

Bitte mach ma‘

Ich dreh‘ mich im Kreis wie ein Riesenrad

Gib mir zu viel Zeit und ich schieß‘ mich ab

Weil ihr mich einfach links liegen lasst

Keine Line, die ich liegen lass‘

Ich weiß, ich geh‘ zu weit, doch ich liebe das

Wie Vin Diesel schieß‘ ich ausm Schiebedach

Ich hatte dieses Game, das Justin Bieber hat

Heute hab‘ ich dieses Game, das keine Spieler hat

„Für immer nur das eine“ war zu viel verlangt (verlangt)

Ich hab‘ mir eingebildet, dass ich fliegen kann (kann)

Dass ich den Schweinehund besiegen kann

Ich schau‘ in keinen Spiegel mehr, ich riech‘ nur dran

Ich bin einundvierzig Jahre und die Tage waren wie Atmen unter Wasser

(Unter Wasser)

Darum sitz‘ ich an der Bar, volles Glas, volle Nase, völlig kafa

(Ich bin kafa)

Einundvierzig Jahre bin ich da und die Tage waren wie Atmen unter Wasser

(Unter Wasser)

Ich glaube nicht, dass das normal ist, ich spür‘ gar nichts

Überfahr‘ mich mit ’nem Laster

Bitte mach ma‘ Motherfucker

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