Die Entwicklung der erzählten Geschichte

Der Liedtext „Kalt und kälter“ von der österreichischen Band S.T.S. aus dem Jahr 1988 beschreibt eine persönliche und gesellschaftliche Entfremdung des lyrischen Ichs. In der ersten Strophe schildert der Sänger, wie seine Beziehung zu einer Frau endet. Obwohl eine solche Trennung früher für ihn eine enorme Belastung dargestellt hätte – „Vor fünf Jahr wär I tausend Tode bei so einer Erklärung g’storb’n“ –, empfindet er sie heute nur noch als eine unwichtige Niederlage, vergleichbar mit dem Verlieren in der Lotterie: „Und heut bedeutet das net mehr als hätt I in der Lotterie verlor’n.“

In der zweiten Strophe geht es um die Veränderung seiner emotionalen Reaktionen auf seinen Beruf – das Auftreten vor Publikum. Was ihm früher Lampenfieber und Nervosität verursacht hat, lässt ihn nun kalt: „Dann schwitzen meine Händ net mehr, und meine Nerven sind aus Stahl.“ Diese Abstumpfung und Abgebrühtheit sind nicht das, was er möchte, und so beginnt er eine innere Auseinandersetzung damit, diesen Zustand zu ändern: „I wer‘ kalt und immer kälter, I wer‘ abgebrüht und älter, Aber das I will I net, und das muss I jetzt klär’n.“

Die dritte Strophe zeigt seine Apathie gegenüber globalen Problemen wie dem Leid der Kinder in Äthiopien. Er empfindet zwar einen „ganz leisen Schock“, doch dieser wird von seiner eigenen Untätigkeit und Indifferenz überlagert: „Denk i: Was soll I änder an die Probleme von an so fremden Land.“ Auch hier setzt sich das Motiv der wachsenden Kälte und Gefühlslosigkeit fort.

In der vierten Strophe wird die Kälte des lyrischen Ichs im Angesicht politischer Machtspielchen und drohender Kriege weiter verdeutlicht. Er beschreibt zynisch, wie Kultur und Konsum sich vermischen – „Der Chef vom Kreml raucht a Camel und trinkt dazu a Coca Cola“ – und dass letztendlich die Gefahr eines nuklearen Krieges droht. Trotz des Wissens um diese Gefahr bleibt er gefühlsmäßig distanziert.

Metaphern und symbolische Elemente

Sprachlich spielt der Text von S.T.S. mit zahlreichen Bildern und Symbolen, die Kälte und Entfremdung verdeutlichen. Ein zentrales Symbol ist die Kälte, die durchgängig verwendet wird, um den emotionalen Zustand des lyrischen Ichs zu beschreiben. „Kalt und kälter“ dient hier nicht nur als Titel, sondern auch als wiederkehrendes Motiv, das die fortschreitende Abstumpfung und Abgebrühtheit metaphorisch zum Ausdruck bringt.

Die Metapher „tausend Tode sterben“ in der ersten Strophe verdeutlicht die frühere Intensität der Gefühle, die das lyrische Ich bei der Vorstellung einer Trennung empfunden hat. Diese starke emotionale Reaktion kontrastiert scharf mit der heutigen Gleichgültigkeit, die wie ein „Lotterie-Verlust“ erscheint. Weitere metaphorische Ausdrücke wie „meine Nerven sind aus Stahl“ und „ka Zittern und ka Beben mehr“ beschreiben bildhaft die Abhärtung gegenüber Stress und Angst, die er nicht mehr verspürt.

Auch die symbolische Verwendung von alltäglichen Handlungen, wie das „An-den-Knopf-Drücken“ in der vierten Strophe, um das Bedrohungspotenzial eines nuklearen Krieges zu beschreiben, ist ein starkes Bild, das die kühle Realität der geopolitischen Konflikte darstellt.

Emotionale und Gedankliche Wirkung des Textes

Der Text ruft ein breites Spektrum an Emotionen hervor. Auf der einen Seite ist da die tief empfundene Traurigkeit über die eigene emotionale Abgestumpftheit und die Sehnsucht nach früherer Lebendigkeit und Empfindungsfähigkeit. Auf der anderen Seite wird eine Art resignierter Zynismus gegenüber den großen politischen und gesellschaftlichen Problemen der Welt ausgedrückt. Der Sänger wünscht sich eine Rückkehr zu intensiveren Emotionen, sei es durch „Angst und Schmerzen“ oder durch die Liebe, die er „bis in die Zehenspitzen spür’n“ möchte.

Der Text könnte darauf abzielen, eine gewisse Apathie und Abgeklärtheit in der modernen Gesellschaft zu kritisieren. Die Gefühle des Sängers spiegeln möglicherweise eine allgemeine gesellschaftliche Entfremdung und emotionale Kälte wider, die durch ständige Konfrontation mit negativen Nachrichten und politischen Machenschaften gefördert werden.

Zentrale Themen und kulturelle Bezüge

Ein zentrales Thema im Lied ist die emotionale Abstumpfung und die Sehnsucht nach echtem, intensiven Erleben. Diese Abstumpfung zeigt sich nicht nur in persönlichen Beziehungen und beruflichen Situationen, sondern auch im Umgang mit globalen Problemen und politischen Bedrohungen. Die Zitate „Im Fernsehen sag’n Politiker wie schwer es is uns zu regier’n“ und „Die Kinder wie die Flieg’n krepiern“ beleuchten die Kluft zwischen medial vermittelten Katastrophen und der eigenen emotionalen Reaktion darauf.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Ohnmacht gegenüber den großen Problemen der Welt und die Gleichgültigkeit, die daraus resultiert. Dabei wird auch die Absurdität der politischen Gegensätze skizziert – der Chef vom Kreml und der Cowboy in Amerika, die trotz ihrer kulturellen Unterschiede ähnliche Konsumvorlieben haben und dennoch die Welt durch ihre Machtspielchen bedrohen.

Kulturell und sozial liefert der Text einen Einblick in die Sorgen und Ängste der späten 1980er Jahre, eine Zeit, die von geopolitischen Spannungen und einer zunehmenden Medienflut geprägt war. Die Bildsprache wie „Pivo in der Hand“ spiegelt auch eine spezifisch österreichisch-deutsche Alltagsszene wider, die den Text in seine kulturelle Umgebung einbettet.

Strukturelle und sprachliche Entscheidungen

Strukturell ist der Text in klar definierte Strophen und Refrains gegliedert. Jede Strophe beleuchtet einen anderen Aspekt der Entfremdung und emotionalen Abkühlung, während der Refrain die zentrale Thematik der zunehmenden Kälte wiederholt und die Sehnsucht nach intensiverem Erleben ausdrückt. Diese Struktur trägt dazu bei, die thematische und emotionale Kohärenz des Liedes zu bewahren und dem Zuhörer eine klare Orientierung zu bieten.

Sprachlich fällt die Verwendung von Dialekt und Umgangssprache auf, was dem Text eine authentische und persönliche Note verleiht. Diese Sprachwahl verstärkt das Gefühl der Nahbarkeit und Erdverbundenheit, während gleichzeitig die tiefere emotionale und gesellschaftliche Resonanz betont wird.

Verschiedene mögliche Lesarten des Textes

Der Text kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Eine naive Lesart könnte ihn als eine einfache Klage über das persönliche Empfinden von Kälte und Entfremdung begreifen. Eine tiefere Analyse könnte jedoch gesellschaftskritische Elemente entdecken, die die Entfremdung des Individuums in einer von Medien und Politik geprägten Welt thematisieren.

Ein weiterer möglicher Interpretationsansatz wäre die Verbindung von persönlicher und gesellschaftlicher Kälte. Die persönlichen Erfahrungen des lyrischen Ichs könnten als Spiegelbild einer allgemeinen gesellschaftlichen Tendenz zur Abstumpfung und emotionalen Distanz betrachtet werden.

Letztlich lädt der Text dazu ein, über die eigenen Empfindungen und Reaktionen auf die Welt nachzudenken und zu reflektieren, inwiefern man selbst Teil dieser beschriebenen emotionalen Kälte ist und wie man vielleicht wieder zu intensiveren Empfindungen zurückfinden könnte.

Persönliche Gedanken und gesellschaftliche Resonanz

Beim Lesen und Analysieren des Textes wird die tiefe Sehnsucht des Sängers nach echtem, intensivem Leben sehr deutlich. Diese Sehnsucht ist etwas, das viele Menschen in unserer modernen, oft von Isolation und Oberflächlichkeit geprägten Zeit nachvollziehen können. Die Beschreibungen von gefühlsmäßiger Kälte und Abgeklärtheit könnten bei vielen Zuhörern Resonanz finden, die ähnliche Empfindungen in ihrem eigenen Leben erkennen.

Auf gesellschaftlicher Ebene ruft der Text dazu auf, sich der eigenen emotionalen Abstumpfung bewusst zu werden und aktiv dagegen zu steuern. In einer Welt, die von ständiger Informationsflut und globalen Problemen geprägt ist, erinnert er daran, wie wichtig es ist, die Fähigkeit zu Mitgefühl und echten, tiefen Empfindungen zu bewahren. Dies ist eine Botschaft, die auch heute noch große Relevanz hat.

Du sagst, es is vorbei mit uns

Dei‘ Liebe is net mehr so groß

I sag, das hab I kommen seh’n

Es tut ma leid, I wünsch dir was

Vor fünf Jahr wär I tausend Tode bei so einer Erklärung g’storb’n

Und heut bedeutet das net mehr als hätt I in der Lotterie verlor’n

Wenn I heut vor an Auftritt steh, und tausend Menschen sind im Saal

Dann schwitzen meine Händ net mehr, und meine Nerven sind aus Stahl

Ka Zittern und ka Beben mehr, ka Angst und ka Entschweben mehr

Und irgendwie komm I damit net klar, es is net mehr wie’s früher war

Und I wer‘ kalt und immer kälter

I wer‘ abgebrüht und älter

Aber das I will I net, und das muss I jetzt klär’n

I möcht lachen, tanzen, singen und rear’n

Angst und Schmerzen soll’n mi wieder würg’n

Und die Liebe möcht I bis in die Zehenspitzen spür’n

Im Fernsehen sag’n Politiker

Wie schwer es is uns zu regier’n

Dann siehst, wie in Äthiopien

Die Kinder wie die Flieg’n krepiern

I spür zwar n ganz leisen Schock, doch mit’n Pivo in der Hand

Denk i: Was soll I änder

An die Probleme von an so fremden Land

Und I wer‘ kalt und immer kälter

I wer‘ abgebrüht und älter

Aber das I will I net, und das muss I jetzt klär’n

I möcht lachen, tanzen, singen und rear’n

Angst und Schmerzen soll’n mi wieder würg’n

Und die Liebe möcht I bis in die Zehenspitzen spür’n

Der Chef vom Kreml raucht a Camel

Und trinkt dazu a Coca Cola

Der Cowboy in Amerika

Liebt Krimsekt und frisst Kaviar

Doch wir wissen, wenn die zwei sich streiten, druckt einer auf den Knopf

Und die Bomb’n fallt mit Sicherheit

Uns ohne Warnung auf den Kopf

Und I wer‘ kalt und immer kälter

I wer‘ abgebrüht und älter

Aber das I will I net, und das muss I jetzt klär’n

I möcht lachen, tanzen, singen und rear’n

Angst und Schmerzen soll’n mi wieder würg’n

Und die Liebe möcht I bis in die Zehenspitzen spür’n

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