Vom jugendlichen Überschwang zum melancholischen Realismus

MGMTs Lied „Time to Pretend“ entfaltet eine Geschichte, die auf den ersten Blick von jugendlichem Überschwang und einer rebellischen Lebensweise erzählt, aber bei genauerem Hinsehen tiefgründige Züge einer existenziellen Ernüchterung zeigt. In der ersten Strophe schildern die Sänger mit kraftvollen, teilweise aggressiven Ausdrücken ihre mentale und physische Verfassung: „I’m feelin‘ rough, I’m feelin‘ raw, I’m in the prime of my life“. Diese Zeile vermittelt ein Bild jugendlicher Wildheit und Energie, die zur Selbstverwirklichung drängt. Die darauf folgende Zeile „Let’s make some music, make some money, find some models for wives“ beschreibt eine hedonistische Lebenseinstellung, bei der Ruhm und oberflächlicher Genuss im Vordergrund stehen.

Die zweite Strophe führt diese Thematik weiter und beschreibt den kontrastierenden Lebensstil von Reichtum und Drogenmissbrauch. Der Sänger skizziert eine Entscheidung für ein Leben, das schneller und intensiver gelebt wird, auch wenn dies bedeutet, jung zu sterben: „This is our decision to live fast and die young“. Die Hinterfragung dieses Lebensstils erfolgt in Form einer rhetorischen Frage, die mögliche alternative Lebenswege abwägt: „Get jobs in offices and wake up for the morning commute?“ Diese Frage verdeutlicht die Absurdität und Monotonie des konventionellen Lebensstils aus der Perspektive des Protagonisten.

Erinnerungen und Verlust

Mit sentimentalen Rückblicken auf seine Kindheit und Familie in den darauffolgenden Strophen, erzeugt der Text eine emotionale Tiefe. Der Sänger drückt seine Sehnsucht nach der Unbeschwertheit und Geborgenheit seiner Jugend aus: „I’ll miss the playgrounds and the animals and digging up worms“. Diese Passage erweckt nostalgische Gefühle und bringt die emotionale Zerrissenheit zum Ausdruck, die der Übergang ins Erwachsenenleben mit sich bringt. Erinnerungen an familiäre Bindungen und die vertraute häusliche Umgebung setzen den vorherigen hedonistischen Vorstellungen ein tristes und realistisches Bild entgegen.

Der Übergang in die dritte Strophe symbolisiert die unvermeidliche und dunkle Seite die das angestrebte Leben mit sich bringt. Die Sänger reflektieren über die Vergänglichkeit von Liebe und Lebensfreude: „Love must be forgotten, life can always start up anew“, was deutet darauf hin, dass die sogenannten Modellehen zwangsläufig in Scheidung enden werden und der Zyklus des oberflächlichen Vergnügens von Neuem beginnen wird. „We’ll choke on our vomit and that will be the end“, schockiert mit einer nüchternen, fast klinischen Beschreibung des unvermeidlichen, tragischen Endes eines solchen Lebensstils.

Rhetorische Strategien und literarische Techniken

MGMT verwendet eine Vielzahl rhetorischer Mittel und literarischen Techniken, um die Thematiken ihrer Lieder zu beleuchten. Sie nutzen Metaphern wie „shoot some heroin and fuck with the stars“, eine provokative Darstellung von Exzess und Ohnmacht gegenüber dem eigenen Lebensstil. Symbolik findet sich ebenfalls in Zitaten wie „the weight of the world“, das auf die erdrückende Verantwortung des Erwachsenwerdens hinweist.

Das Reimschema wechselt zwischen Paarreimen und umarmenden Reimen, was dem Lied eine poetische und dennoch fließende Struktur verleiht. Stilistiken wie Anaphern in „Yeah, I’ll miss the… I’ll miss the…“, verstärken die melancholische Reflexion und den Verlust vergangener Unschuld.

Die Band drückt offene und versteckte Gedanken durch eine Balance von poetischer Verzückung und düsterem Realismus aus. Der offene Text spricht eine rebellische Jugend an, während die versteckten Botschaften die Vergänglichkeit und die Ernüchterung des Erwachsenenlebens beleuchten.

Emotionale, thematische und kulturelle Relevanz

Das zentrale Thema des Liedes ist der Kontrast zwischen hedonistischer Lebensweise und der Sehnsucht nach emotionaler Sicherheit. Emotionen wie Nostalgie, Melancholie und Rebellion spielen eine dominierende Rolle und verdeutlichen die innere Zerrissenheit der Protagonisten. Kulturell reflektiert das Lied das Lebensgefühl einer Generation, die zwischen den Versprechungen schnellen Ruhmes und der unerbittlichen Realität der Erwachsenenwelt steht.

Strukturell und in der Sprachwahl zeigen sich bewusste Entscheidungen, die das Chaos und die Ordnung des Lebens durch dichterische Freiheit und einer gewissen Strenge in Ausdruck und Form widerspiegeln. Die Repetition des Refrains „We’re fated to pretend“ verdeutlicht die Absurdität und die vorherbestimmte Rolle des Scheins.

Insgesamt lässt sich „Time to Pretend“ auf verschiedene Weisen interpretieren: als zutiefst ironische Beschreibung des Lebens junger Erwachsener, oder als kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Persönlich empfinde ich das Lied als eine melancholische Reflexion über den Verlust kindlicher Unschuld und die unvermeidliche Konfrontation mit der Realität des Erwachsenseins. Diese tiefgreifende emotionale Resonanz macht „Time to Pretend“ zu einem zeitlosen Stück, das sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Reflexionen anstößt.

Liedtext / Übersetzung

I’m feelin‘ rough, I’m feelin‘ raw
Ich fühle mich grob, ich fühle mich roh
I’m in the prime of my life
Ich bin im besten Alter meines Lebens

Let’s make some music, make some money
Lasst uns Musik machen, Geld verdienen
Find some models for wives
Finden wir einige Models als Ehefrauen
I’ll move to Paris, shoot some heroin and fuck with the stars
Ich werde nach Paris ziehen, etwas Heroin spritzen und mit den Stars herumhängen
You man the island and the cocaine and the elegant cars
Du kontrollierst die Insel und das Kokain und die eleganten Autos

This is our decision to live fast and die young
Das ist unsere Entscheidung, schnell zu leben und jung zu sterben
We’ve got the vision, now let’s have some fun
Wir haben die Vision, jetzt lasst uns Spaß haben
Yeah, it’s overwhelming, but what else can we do?
Ja, es ist überwältigend, aber was können wir sonst tun?
Get jobs in offices and wake up for the morning commute?
Jobs im Büro bekommen und für den morgendlichen Arbeitsweg aufstehen?

Forget about our mothers and our friends
Vergessen wir unsere Mütter und unsere Freunde
We’re fated to pretend
Wir sind dazu verdammt, vorzutäuschen
To pretend
Zu vortäuschen
We’re fated to pretend
Wir sind dazu verdammt, vorzutäuschen
To pretend
Zu vortäuschen

I’ll miss the playgrounds
Ich werde die Spielplätze vermissen
And the animals and digging up worms
Und die Tiere und das Würmer ausgraben
I’ll miss the comfort of my mother
Ich werde den Trost meiner Mutter vermissen
And the weight of the world
Und das Gewicht der Welt
I’ll miss my sister, miss my father
Ich werde meine Schwester vermissen, meinen Vater vermissen
Miss my dog and my home
Meinen Hund und mein Zuhause vermissen
Yeah, I’ll miss the boredom
Ja, mir wird die Langeweile fehlen
And the freedom and the time spent alone
Und die Freiheit und die Zeit, die ich allein verbracht habe

But there is really nothing, nothing we can do
Aber wir können wirklich nichts tun
Love must be forgotten, life can always start up anew
Die Liebe muss vergessen werden, das Leben kann immer wieder neu beginnen
The models will have children, we’ll get a divorce
Die Models werden Kinder haben, wir werden uns scheiden lassen
We’ll find some more models, everything must run its course
Wir werden noch mehr Models finden, alles muss seinen Lauf nehmen

We’ll choke on our vomit and that will be the end
Wir werden an unserem Erbrochenen ersticken und das wird das Ende sein
We were fated to pretend
Wir waren dazu verdammt, vorzutäuschen
To pretend
Zu vortäuschen
We’re fated to pretend
Wir sind dazu verdammt, vorzutäuschen
To pretend
Zu vortäuschen

I said yeah, yeah, yeah
Ich sagte yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah
Yeah, yeah, yeah

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