Überblick über den Liedtext
„Ganz Wien“ von Falco, ein markantes Beispiel für die Neue Deutsche Welle, zeichnet ein düsteres, impressionistisches Bild der Drogenkultur und der Dekadenz in Wien in den frühen 1980er Jahren. Der Liedtext öffnet mit einer einsamen Figur, die ziellos durch die Straßen streift, das Hirn betäubt von „heavy Metal“ und die Leber durch Alkohol zerrüttet („Das Hirn voll heavy Metal, und seine Leber ist hin“). Diese Figur ist metaphorisch für die Jugend dieser Epoche, die in einer Stadt lebt, die sich einem kollektiven Verfall hingibt, wie auch durch die häufigen Referenzen auf Drogen wie Heroin, Kokain, Kodein und Mozambin (einer fiktiven Droge) deutlich wird.
Der Refrain, „Ganz Wien ist heut auf Heroin, Ganz Wien träumt mit Mozambin“, verweist auf die allgemeine Abhängigkeit und den eskapistischen Traumzustand der Wiener Gesellschaft. Die Strophen beleuchten sowohl die körperlichen Degenerationszeichen („Seine Venen sind offen“) als auch die symbolische Dekomposition („Es riecht nach Formalin“), was eine unmittelbare Verknüpfung zwischen Individuum und der städtischen Zerfallserscheinung herstellt. Der Text vermittelt eine ambivalente Haltung zur surrealen Realität, in der sich die Einwohner Wiens finden, voller Drogenkonsum und sozialem Zerfall.
Sprachliche und rhetorische Elemente
Falcos Text bedient sich einer Vielzahl sprachlicher und rhetorischer Mittel, um die angespannte Atmosphäre und den Verfall zu veranschaulichen. Die durchgehende Metaphorik sowie negative Assoziationen unterstützen die düstere Thematik. Das Bild „Das Hirn voll heavy Metal, und seine Leber ist hin“ ist ein Paradebeispiel für die Verkörperung eines destruktiven Lebensstils. Die Verwendung von „Formalinkeum“ als Geruch der Zerfalls ist besonders eindrucksvoll, da dies eine chemische Verbindung ist, die normalerweise mit Konservierung und Verwesung in Verbindung gebracht wird.
Hinzu kommen Anaphern wie „Ganz Wien“, die den Zustand der Stadt und ihrer Einwohner wiederholt und intensiviert darstellen, sowie das Wort „hin“, das mehrfach als Refrain Einsatz findet und die endgültige Kapitulation und das Schicksal der Stadt betont. Der verwendete Reim unterstützt den melodischen Fluss des Textes, wodurch die düsteren Inhalte fast trügerisch leicht zugänglich erscheinen.
Emotionale Resonanz und implizite Botschaften
Der Text spricht direkt die Gefühle und Gedanken vieler jugendlicher Wiener an jener Zeit an, die sich gefangen fühlten in einem Kreislauf aus Drogen, Perspektivlosigkeit und Eskapismus. Mit der wiederholten Aussage „Ganz Wien ist heut auf Heroin“ und ähnlichen behauptungen wird die desillusionierte Realität betont. Die allgemeine Atmosphäre des Liedes ist geprägt von Nihilismus und Drogenabhängigkeit, was möglicherweise als Kritik oder Warnung vor den Gefahren des subkulturellen Lebensstils und der Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verstehen ist. Das Lied kommuniziert auch eine Art der Resignation und Ohnmacht gegenüber der vorübergehenden Realität.
Kultureller und sozialer Kontext
Die thematischen und emotionalen Aspekte des Liedtextes finden ihren Ursprung in der Wiener Subkultur der frühen 1980er Jahre. Falco malt ein Bild von Wien als Stadt, die in der Dekadenz versinkt und von Drogenüberschuss und sozialem Zerfall zerstört wird. Dieser kulturelle Kontext spiegelt jene Ära in Wien wider, in der die Jugend Subkulturen wie Punk und Neue Deutsche Welle als Ausdruck ihrer Rebellion gegen konventionelle und bourgeois Normen annahm. Es ist eine Ära der Auflehnung gegen das Establishment und der Suche nach Identität, oft tragischerweise durch den Drogenkonsum begünstigt.
Strukturelle und sprachliche Entscheidungen
Die Struktur des Liedes, bestehend aus sich wiederholenden Versen und Refrains, verstärkt die surrealistische und repetitive Natur des Themas. Der wiederholte Refrain hebt den eskalierenden und endlosen Charakter des Drogenproblems hervor, während die Strophen die Detaillierung der destruktiven Lebensstile präsentieren. Die einfache Sprache in Verbindung mit starken Bildassoziationen ermöglicht eine breite und tiefe emotionale Verbindung zu den Zuhörern.
Verschiedene Lesarten und Interpretationen
Der Text bietet mehrere Interpretationsansätze: Zum einen kann er als schonungslose Anklage gegen die Drogenkultur verstanden werden, eine Warnung vor den Gefahren von Substanzmissbrauch. Gleichzeitig könnte man die resignative Akzeptanz beobachten, da die Stadt im Kollektiv diese problematische Realität zu umarmen scheint. Lokale und globale Aspekte finden sich ebenfalls in der teils expliziten, teils metaphysischen Auseinandersetzung mit dem Selbstzerstörungsdrang, der teils durch die Popularität bestimmter Musikgenres gefördert wird.
Verbindung und persönliche Reflexion
„Ganz Wien“ bietet eine kraftvolle und zeitlose Reflexion über gesellschaftliche Probleme, die auch heute noch nachklingen. Es regt den Zuhörer dazu an, über die Auswirkungen von sozialen Missständen, insbesondere im Hinblick auf Drogenmissbrauch, nachzudenken und aufmerksam auf die Form sowohl als Konsum als auch sozialer Verfall zu achten. Persönlich gesehen, dient es als Mittel zum Nachdenken über die gesellschaftlichen Mechanismen, die solche Zustände hervorrufen, sowie als historische Momentaufnahme einer Ära, die durch ihre zunehmende Fragmentierung und Ver-altung Beachtung im kollektiven Gedächtnis findet.
Die zugrunde liegende Botschaft von „Ganz Wien“ zeigt die verheerenden Folgen des Drogenkonsums und regt den Hörer dazu an, über die soziale Verantwortung und die Fragilität der gesellschaftlichen Strukturen nachzudenken. Es bleibt ein eindrucksvolles und lehrreiches Werk, das sowohl seine musikalischen als auch lyrischen Qualitäten in vollem Maße demonstriert.
Er geht auf der Straßen
Sagt net wohin
Das Hirn voll heavy Metal
Und seine Leber ist hin
Seine Venen sind offen
Und es riecht nach Formalin
Das alles macht eam kan Kummer
Weil er ist in Wien
Ganz Wien
Ist heut auf Heroin
Ganz Wien
Träumt mit Mozambin
Ganz Wien, Wien
Grieft auch zu Kokain
Überhaupt in der Ballsaison
Man sieht ganz Wien
Ist so herrlich hin, hin, hin
Kokain und Kodein
Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin
Hin, hin, eins, zwei, drei
Kokain und Kodein
Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin, hin, hin
Einmal wird der Tag kommen
Die Donau außer Rand und Band
Im U4 geigen die Goldfisch‘
Der Bruno längst am sicheren Land
Der Hannes a, dann lernen wir
Schwimmen, treiben tan ma eh
Alle Teuferl weiße Gewandl
Weiß wie Schnee
Wien
Kokain und Kodein
Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin, hin, hin (don’t’cha know)
Kokain und Kodein
Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin, hin, hin
Ganz Wien
Ganz Wien
Ganz Wien
Ganz Wien
Ganz Wien
Ganz Wien