Eine Flucht durch die Jahrzehnte

In dem Lied „Auf der Flucht“ von Falco wird eine bewegte Reise durch verschiedene Zeiten und Schauplätze beschrieben. Der Beginn des Liedes führt uns nach West-Berlin im Jahr 1967. Wir werden mit einer Szene konfrontiert, in der Unruhen und Polizeieinsätze zum Alltag gehören. „Erster Eindruck, grüne Minna / Straßensperre gegen Spinner“ – diese Zeilen vermitteln den Eindruck eines unruhigen Szenarios, in dem Polizei- und Demonstrantenszenen im Vordergrund stehen. Das Bild der „grünen Minna“, einem umgangssprachlichen Begriff für einen Polizeitransporter, verdeutlicht das Klima der Repression und Gewalt, das in dieser Zeit vorherrschte. Der Sänger schildert weiter, wie Straßenblockaden und Schlägereien zum Alltag gehören.

Im Verlauf des Liedes wird der Ortswechsel deutlich: Wir reisen weiter ins Zürich des Jahres 1982. Die Atmosphäre hier ist eine andere: „Alles ist in Ordnung, nichts am Platz / Ein Ende hat’s mit dem Rabatz“. Diese Zeilen suggerieren eine ruhigere, kontrollierte Umgebung, die im starken Kontrast zu dem zuvor beschriebenen Schauplatz steht. Der Grund für diese Veränderung kann in der beschriebenen „starken Hand“ gesucht werden, die Ordnung und Kontrolle wiederherstellt: „Denn die starke Hand siegt eben / Hält die Märchenwelt beisammen / Und die Räuber sind gefangen“. Doch auch hier brodelt unter der Oberfläche etwas Unausgesprochenes und die Frage nach der Zukunft bleibt bestehen: „Für die Zukunft sei gesagt / Sicher kommt mal wer und fragt / Was die Jungwähler so denken / Über Kräfte, die sie lenken“.

Sprachliche und poetische Elemente: Metaphern, Symbole und Reimschema

Falcos Text ist stark durchsetzt mit Metaphern und Symbolen, die die Essenz des Liedes verstärken. Eine Darstellung dieser Symbole findet sich zum Beispiel in der Beschreibung von Berlin als „eine Wolke“, was für ein bedrückendes, chaotisches Umfeld stehen könnte. Solche Metaphern verdeutlichen die allgemeine Verunsicherung und den fliehenden Charakter der Beschriebenen.

Das Reimschema ist variabel und unregelmäßig, was der chaotischen Thematik des Liedes entspricht. Beispielsweise, „Habt ihr Bock auf ’ne Tract Prügel / Wir bedienen euch nicht übel, aha“; diese unregelmäßige Reimstruktur verstärkt den unruhigen, unsteten Charakter des Textes. Poetische Elemente wie diese erhöhen die expressive Kraft des Textes und machen die Realität und Gefühle, die Falco beschreibt, greifbar.

Versteckte Botschaften und Emotionen

Der Text von „Auf der Flucht“ löst starke Emotionen der Unruhe und Rastlosigkeit aus. Falco beschreibt Szenarien, in denen die Menschen immer wieder in Bewegung und auf der Flucht sind – sei es vor repressiven Regimen oder gesellschaftlichen Normen. Die wiederkehrende Flucht ist ein zentrales Thema im Lied: „Aus-Aus-Ausbruch auf der Flucht“ und „Und wer sieht sich da jetzt auf der Flucht“. Diese Zeilen betonen das Gefühl des Entkommens und der Suche nach Freiheit oder Sicherheit.

Die verborgene Botschaft könnte sich in der Kritik an den Autoritäten und deren Kontrollmechanismen verbergen. Sätze wie „Gewonnen hat die Steuer / Und am Seeufer kein Feuer“ spiegeln eine Gesellschaft, in der Kontrolle und Ordnung über Freiheit und Spontaneität triumphieren.

Thematische und kulturelle Verweise

Zentrale Themen des Liedes sind Kontrolle, Repression und der Drang nach Freiheit. Falco reflektiert die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen der 1960er bis 1980er Jahre, die insbesondere in Deutschland und der Schweiz stattgefunden haben. Die Veränderungen und politischen Zustände werden kritisiert und thematisiert, wobei Falco nicht scheut, deutliche Worte zu finden: „Schmeißt die Rockrabauken raus / Und renoviert das Opernhaus, aha“. Diese Zeilen verdeutlichen einen Konflikt zwischen Jugendrebellion und konservativen Kräften.

Kulturell ist das Lied ein Spiegelbild der damaligen Zeit und beleuchtet die Spannungen zwischen alter Ordnung und neuen, aufstrebenden Bewegungen. Dabei wird auch auf den Zürich-Krawall Bezug genommen, was die kulturelle Relevanz und historische Einbettung des Textes unterstreicht.

Strukturelle und sprachliche Entscheidungen

Falco nutzt eine Kombination aus erzählerischen und beschreibenden Stilmitteln, um die Themen der Flucht und Kontrolle darzustellen. Das Lied ist in zwei Hauptteile gegliedert, die jeweils unterschiedliche Zeitepochen und Orte behandeln. Diese klare Zweiteilung verstärkt die Unterschiede zwischen den beschriebenen Szenarien und hebt den Wandel der Gesellschaft hervor. Durch die Wahl der Wörter und Redewendungen, die sehr umgangssprachlich und direkt sind, erreicht Falco Authentizität und unmittelbare Wirkung.

Interpretationsansätze: Viele mögliche Lesarten des Textes

Es gibt verschiedene Interpretationsansätze für den Text. Eine Lesart könnte die Flucht als metaphorisch für das ständige Streben nach persönlicher Freiheit und Ordnung sehen. Eine andere Lesart könnte den Text als Kritik an autoritären Regimen und der gesellschaftlichen Kontrolle verstehen. Das Motiv der „starken Hand“, die Ordnung und Kontrolle erzwingt, könnte auf die politischen und sozialen Mechanismen hinweisen, die Individualität und Freiheit unterdrücken.

Persönliche Reflexionen: Der Bezug zur eigenen Zeit

„Auf der Flucht“ resoniert stark mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Die Flucht nach Freiheit und die allgegenwärtige Kontrolle sind Themen, die auch heute noch relevant sind. In Zeiten von Überwachungsstaaten und politischen Unruhen kann der Text als Mahnung und Erinnerung an den Wert von Freiheit und die Gefahr der Repression dienen. Falcos kraftvolle Worte und die bildreichen Schilderungen erzeugen ein Gefühl der Unruhe, das viele Menschen auch heute noch empfinden.

Indem er historische Umbrüche und persönliche Kämpfe thematisiert, schafft Falco ein bleibendes Kunstwerk, das sowohl die Vergangenheit reflektiert als auch Gegenwartsfragen anspricht.

West Berlin neunzehnhundert-sechzig-sieben

Erster Eindruck, grüne Minna

Straßensperre gegen Spinner

Habt ihr Bock auf ’ne Tract Prügel

Wir bedienen euch nicht übel, aha

Ecke Joachimstaler Kudamm ein Exzess

Wer das Gas als letzter riecht

Hat als erster den Prozess

Ganz Berlin is eine Wolke

Und man sieht sich wieder mal auf der Flucht

Aus-Aus-Ausbruch auf der Flucht

Zürich limmatquai neunzehnhundert-achzig-zwei

Alles ist in ordnung, nichts am Platz

Ein Ende hat’s mit dem Rabatz

Gewonnen hat die Steuer

Und am Seeufer kein Feuer

Das Fazit aus fünfzehen Jahren

Die Kontrolle zu bewahren

Elde Werte zu genießen

Seht mal wohin Gelder fließen

Schmeißt die Rockrabauken raus

Und renoviert das Opernhaus, aha

Was die Ordnung anbelangt

Hat sich alles Gott sie Dank

Fast wie ganz von selbst ergeben

Denn die starke Hand siegt eben

Hält die Märchenwelt beisammen

Und die Räuber sind gefangen, aha

Für die Zukunft sei gesagt

Sicher kommt mal wer und fragt

Was die Jungwähler so denken

Über Kräfte, die sie lenken

Schwere Wolken, Donnerschlag

Und wer sieht sich da jetzt auf der Flucht

Auf der Flucht

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