Zwischen Loslassen und Freiheit
Der Song „Drachen Sollen Fliegen“ von Pur aus dem Jahr 1987 handelt von einem inneren Kampf und dem Streben nach persönlicher Freiheit. Die Protagonist oder der Erzähler drückt einen überwältigenden Drang aus, die gewohnte Umgebung und Einschränkungen hinter sich zu lassen und sich zu befreien. Die erste Strophe beginnt mit den Zeilen „lange her, daß mich was so fieberhaft packt / ich streife die gewohnte Haut ab / und fühl´ mich wieder nackt“. Hier offenbart der Sänger ein Gefühl der Erneuerung und ein starkes Verlangen nach Veränderung. Der Wunsch, etwas Neues zu erleben und die eingefahrenen Bahnen zu verlassen, wird durch die Metapher des „Abstreifens der gewohnten Haut“ eindrücklich beschrieben.
Metamorphose und Neuorientierung
Die zweite Strophe betont die Konfusion und den Verlust der bisherigen Orientierung mit den Zeilen „das oben war bald innen und das unten war bald kalt / alles gab es zu gewinnen doch dafür gab´s kein Halt“. Diese Aussagen suggerieren ein völliges Umwerfen des bisherigen Lebens und die Entdeckung neuer, jedoch instabiler und unsicherer Wege. Der Erzähler gibt sich einer neuen, herzlichen, aber auch riskanten Erfahrung hin, wie „ich flog aus stumpfen Zonen ohne Lücken I’m Netz / in herzliche Regionen ohne Auffangnetz“ erläutert. Dieser Wechsel von Sicherheit zur Ungewissheit hat jedoch auch seinen Preis.
Kampf um Loslösung
Im Refrain wird der Wunsch nach endgültiger Befreiung thematisiert. Zeilen wie „laß mich endlich fliegen / kapp die Nabelschnur / denn Drachen sollen fliegen / ohne feste Spur“ drücken den brennenden Wunsch nach totaler Freiheit aus. Die Metapher des Fliegens steht hier für das Erreichen eines selbstbestimmten Lebens und befreit von äußeren Zwängen. Die bildhafte Sprache lässt durch die Vorstellung des sich losreißenden Drachens zudem klar die poetische Seite des Textes aufleuchten.
Emotionen von Unsicherheit und Streben nach Freiheit
Dieser Text erzeugt eine Vielzahl von Emotionen. Er spiegelt das innere Dilemma und die Zerrissenheit der Protagonistin oder des Protagonisten wider. Die Unsicherheit und Angst, gekoppelt mit dem Drang nach Freiheit und Selbstentfaltung, ergeben eine emotionale Achterbahnfahrt. „die Luft ist süß und streichelt / die schlimmsten Schmerzen weg“ zeigt die bittersüße Natur der neuen, ungewohnten Freiheit. Während die Suche nach Individualität und Entfaltung hier zentral ist, schwingt auch stets das Gefühl von Verlust und schmerzhaften Trennungen mit.
Die thematische Tiefe und kulturelle Kontexte
Die thematischen Aspekte des Songs umfassen Aufbruch, Freiheit, Selbstentfaltung und den oft damit einhergehenden Schmerz. Diese Themen haben universelle Relevanz und können leicht auf individuelle und kollektive Erlebnisse zurückgeführt werden. Kulturell deutet der Song auf eine Zeit des Wandels und der Selbstfindung, typisch für viele junge Erwachsene, die versuchen, sich von den Vorstellungen und Erwartungen ihrer Eltern oder der Gesellschaft zu lösen.
Subtilität in der Struktur
Strukturell ist das Lied einfach gehalten, aber die Wiederholung des Refrains verstärkt den zentralen Wunsch des Protagonisten nach Freiheit. Die strophische Form und die Refrains, die eine Art Wiederholung und Bestätigung des Hauptthemas darstellen, helfen, das emotionale Gewicht und die Dringlichkeit des verlangten Loslassens ständig zu betonen. Die Wahl der Metaphern—wie das Fliegen und die Nabelschnur—fügt dem Lied eine tiefere poetische Schicht hinzu und illustriert meisterhaft die Ambivalenz des Loslösens.
Verschiedene Lesarten und Interpretationen
Der Text kann auf mehrere Arten interpretiert werden. Der offensichtliche Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit könnte wörtlich verstanden werden, aber es könnte auch metaphorisch für andere Formen der Befreiung stehen—etwa von emotionalen, beruflichen oder sozialen Fesseln. „doch do gibst mich nicht frei / zerrst an meinem Herz / und do ziehst an dem Seil / das uns verbunden läßt“ könnte auf eine symbiotische und vielleicht toxische Beziehung hinweisen, aus der sich der Protagonist lösen will.
Resonanz und Selbstreflexion
Persönlich erinnert der Liedtext an die universellen Erfahrungen von Übergängen im Leben—sei es der Schritt in die Unabhängigkeit von den Eltern, der Wechsel von Schule zu Berufsleben oder tiefere innere Transformationen. Dieses Gefühl des Drangs nach Freiheit, gepaart mit der Angst vor der Ungewissheit, ist etwas, was viele Menschen nachvollziehen können. Die lyrische Qualität des Textes erlaubt es uns, tief in die Emotionen und Gedanken des Sängers oder der Band einzutauchen, was das Lied nicht nur zu einer künstlerischen, sondern auch zu einer emotionalen und intellektuellen Erfahrung macht.
lange her, daß mich was so fieberhaft packt
ich streife die gewohnte Haut ab
und fühl´ mich wieder nackt
wollte doch nur kosten, aber hat so gut geschmeckt
bin abgehoben, losgeflogen
hab´ gar nichts mehr gescheckt
Bahn frei, es ist nie zu spät
ich bin viel zu jung
he do, geh´ aus dem Weg
bin nicht mehr allzu jung
das oben war bald innen und das unten war bald kalt
alles gab es zu gewinnen doch dafür gab´s kein Halt
ich flog aus stumpfen Zonen ohne Lücken I’m Netz
in herzliche Regionen ohne Auffangnetz
doch do gibst mich nicht frei
zerrst an meinem Herz
und do ziehst an dem Seil
das uns verbunden läßt
laß mich endlich fliegen
kapp die Nabelschnur
denn Drachen sollen fliegen
ohne feste Spur
die Luft ist süß und streichelt
die schlimmsten Schmerzen weg
ein Blick in deinen Spiegel zeigt
ich brauche kein Versteck
Bahn frei, was sein muß muß sein
lenken kann ich´s nicht
he do, ich muß da durch
bevor zu viel zerbricht
laß mich los
laß mich endlich fliegen
kapp die Nabelschnur
denn Drachen sollen fliegen
ohne feste Spur
Text & Musik: Hartmut Engler / Ingo Reidl
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