Erinnerungen ans Meer und der Schmerz des Verlustes
Der Song „Vermissen“ von Juju, welcher im Jahr 2019 veröffentlicht wurde, öffnet mit einer nostalgischen Rückschau auf eine glückliche Zeit am Meer. Die ersten Zeilen „Weißt du noch, als wir am Meer waren?“ und „Baby, wie lang ist es schon her, als / Du meintest, du wirst immer bei mir bleiben?“ versetzen den Hörer in eine vergangene gemeinsame Zeit, die sich durch ein Gefühl der Unbeschwertheit und inniger Verbundenheit auszeichnet. Das Bild des glitzernden Meersalzes auf der Haut und die daraus hervorgehobene Leichtigkeit wird durch eine starke Metapher verstärkt: „Das Meersalz / Hat so geglitzert auf der braunen Haut, noch mehr als / Unsre beiden Augen, weil das Leben zu uns fair war.“
Von diesen Erinnerungen ausgehend, schwenkt die Erinnerung jedoch schnell in eine heutige Realität voller Schmerz und Einsamkeit um. Die Zeilen „Ich vermisse dich, vermisse ohne Schwerkraft“ und „Mit dir rumzuschweben, der Absturz war so schmerzhaft“ verdeutlichen sowohl die Intensität der einstigen Beziehung als auch den tiefen Fall nach dem Verlust. Diese Übergänge zwischen vergangener Freude und gegenwärtigem Leid sind wiederkehrende Elemente, die Juju nutzt, um die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Phasen der Beziehung darzustellen.
Emotionale Zerrissenheit und Veränderung
Die zweite Strophe vertieft das Bild des Verlustes und des Versuchs, sich abzulenken. Juju beschreibt die Gegenwärtigkeit dieses Gefühls in einer neuen, isolierten Realität: „Diese Wohnung ist auf einmal so groß ohne dich“. Der Versuch der Ablenkung durch Musik („Ich muss mich ablenken, muss wieder Musik machen“) und die Notwendigkeit, sich selbst finanziell zu versorgen, zeigen den Hörer*innen das Bedürfnis nach Selbstfindung und Unabhängigkeit. Dieses Bedürfnis wird durch die textliche Darstellung eines körperlichen Relikts der Vergangenheit (das Shirt des Partners) physisch anfassbar gemacht: „Steige wieder in den Tourbus und ich riech‘ an deinem Shirt / Mal sehen, ob der Duft noch bleibt / Bis ich wieder aus dem Bus aussteig’“.
Der Refrain des Liedes setzt diese emotionalen Konflikte fort und intensiviert sie: „Wie kann man jemand so krass vermissen / Wie ich dich in diesem scheiß Augenblick? / Ich bin grade so krass zerrissen / Soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?” Hier kommen die zentrale Fragen und inneren Kämpfe zum Ausdruck, die Juju zu einem Höhepunkt ihrer emotionalen Zerrissenheit führen – der Wunsch nach Wiederannäherung und gleichzeitig die Unsicherheit, ob es der richtige Schritt wäre.
Nicht wissen wollen, aber dennoch warten
Die dritte Strophe fokussiert sich auf den Widerwillen, weitere Details über das vergangene Kapitel zu erfahren. Juju betont: „Ich will nicht mehr wissen, wie es war / Ich will nicht mehr wissen, warum es vorbei ist“. Sie artikuliert eine klare Absicht, nicht in der Vergangenheit zu verweilen, sondern dennoch die Zerrissenheit zu empfinden, allein zu sein und in Bars zu sitzen: „Und ich merke, dass ich ohne dich allein bin / Augenringe spiegeln sich in meinem Glas“. Die wiederholten Bilder des Alkoholkonsums und der Reflexion münden schließlich in einem Eingeständnis der eigenen Schwäche und des Abwartens auf ein Signal von der verlorenen Liebe: „Ich hab‘ dich gehen lassen wie ’n Feigling / Und ich wart‘ auf ein Signal“.
Hier verdichtet sich die Emotionalität des Liedes, da die Künstlerin einsieht, dass selbst ein Signal nichts ändern würde: „Noch ein letztes Mal, doch das ändert nichts / Denn mir ist klar, es wird nie mehr, wie es war / Es ist nachts, ich bin wach und ich denk‘ an dich“. Die Wiederholung des Themas und der Fragen im Refrain verstärkt diesen inneren Konflikt und die Unmöglichkeit, zur Vergangenheit zurückzukehren.
Sprachliche und rhetorische Elemente
Juju verwendet in ihrem Text verschiedene Sprachmittel, die zur Emotionalität und zum poetischen Wert des Liedes beitragen. Metaphern wie „ohne Schwerkraft“ und „in irgendwelchen Bars häng‘“ verdeutlichen die seelische Schwerelosigkeit bzw. Haltlosigkeit. Die repetitive Struktur der Fragen im Refrain – „Wie kann man jemand so krass vermissen?“ – fängt die quälenden Gedankenschleifen und die inneren Dialoge ein, die Gefühle von Zerrissenheit und Sehnsucht nach dem Verlorenen betonen.
Auch die Kontraste sind ausgesprochen intensiv: Das frühere, fast himmlische Bild des „sternenklaren Himmels“ steht der aktuellen „Augenringe spiegeln sich im Glas“ entgegen. Diese Gegensätze betonen den tiefen emotionalen Bruch und die Einsamkeit nach dem Verlust einer bedeutenden Beziehung.
Die emotionale und soziale Resonanz
Thematisch betrachtet, befasst sich „Vermissen“ mit dem universellen Gefühl von Sehnsucht und der Schmerzhaftigkeit eines Beziehungsendes. Doch es geht über eine einfache Trennung hinaus und beleuchtet die Schwierigkeiten, die eigene Identität ohne den Partner neu zu definieren. Der intensive Schmerz und die Ohnmacht, die Juju beschreibt, schaffen eine tiefe emotionale Resonanz bei den Hörer*innen, die ähnliche Erfahrungen durchgemacht haben könnten.
Die kulturelle Referenz, die sich durch den Lebensstil eines Künstlers bzw. Musikers zieht – das Reisen im Tourbus, das Einfüllen der eigenen Brieftasche und die Abhängigkeit von Musik als Ausdrucksform – geben dem Lied eine zusätzliche Dimension. Diese verbindet die Realität des Künstlerdaseins mit der allgemeinen menschlichen Erfahrung von Verlust und Verlangen nach Zugehörigkeit.
Persönliche Reflektionen und gesellschaftliche Implikationen
Jujus „Vermissen“ regt den Hörer dazu an, über eigene verlorene oder getrennte Beziehungen nachzudenken. Die Ehrlichkeit und rohe Emotionen in Jujus Text schaffen eine Atmosphäre der Authentizität, die es dem Publikum ermöglicht, eine tiefere Verbindung zu den beschriebenen Gefühlen und Situationen zu finden.
Der Song reflektiert nicht nur individuelle Emotionen, sondern beleuchtet auch gesellschaftlich relevanten Themen wie emotionale Abhängigkeit, den Umgang mit Trennungsschmerzen und die Rolle von individueller Selbstfindung in der modernen Gesellschaft. Juju schafft es, durch ihre kraftvolle und direkte Sprache die Hörer*innen in ihren Bann zu ziehen und gleichzeitig universelle Wahrheiten über menschliche Beziehungen und ihren unvermeidlichen Wandel zu reflektieren.
Weißt du noch, als wir am Meer waren?
Baby, wie lang ist es schon her, als
Du meintest, du wirst immer bei mir bleiben? Und das Meersalz
Hat so geglitzert auf der braunen Haut, noch mehr als
Unsre beiden Augen, weil das Leben zu uns fair war
Wir haben gefickt und der Himmel war so sternenklar
Ich vermisse dich, vermisse ohne Schwerkraft
Mit dir rumzuschweben, der Absturz war so schmerzhaft
Ich muss mich ablenken, muss wieder Musik machen
Guck mir zu, ich füll‘ ab heut alleine meine Brieftasche
„Aber was schreibe ich bloß?“, frag‘ ich mich
Diese Wohnung ist auf einmal so groß ohne dich
Alle unsre Wünsche haben wir zerstört
Steige wieder in den Tourbus und ich riech‘ an deinem Shirt
Mal sehen, ob der Duft noch bleibt
Bis ich wieder aus dem Bus aussteig‘
Wie kann man jemand so krass vermissen
Wie ich dich in diesem scheiß Augenblick?
Ich bin grade so krass zerrissen
Soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?
Wie kann man jemand so krass vermissen
Wie ich dich in diesem scheiß Augenblick?
Ich bin grade so krass zerrissen
Soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?
Ich will nicht mehr wissen, wie es war
Ich will nicht mehr wissen, warum es vorbei ist
Ich will nicht mehr wissen, wie es war
Ich will nicht wissen, was du machst, wenn du high bist
Ich häng‘ besoffen ab in irgendwelchen Bars
Und ich merke, dass ich ohne dich allein bin
Augenringe spiegeln sich in meinem Glas
Ich hab‘ dich gehen lassen wie ’n Feigling
Und ich wart‘ auf ein Signal
Und noch ein letztes Mal, doch das ändert nichts
Denn mir ist klar, es wird nie mehr, wie es war
Es ist nachts, ich bin wach und ich denk‘ an dich (denk‘ an dich, denk‘ an dich)
Wie kann man jemand so krass vermissen
Wie ich dich in diesem scheiß Augenblick?
Ich bin grade so krass zerrissen
Soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?
Wie kann man jemand so krass vermissen
Wie ich dich in diesem scheiß Augenblick?
Ich bin grade so krass zerrissen
Soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?
Wie kann man jemand so krass vermissen? (krass vermissen, krass vermissen)
Wie kann man jemand so krass vermissen? (krass vermissen, krass vermissen)
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